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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 02.07.2008


Mary Gauthier – Genesis. The Early Years
Tatjana Zilg

Jugendliche Ausreißerin, Philosophie-Studentin, Köchin, Restaurant-Besitzerin und dann Country-Star: Die Amerikanerin verfügt über eine Lebenserfahrung, die ihren Texten eine einzigartige Reife ...




... und ihrer Musik eine empathische Tiefgründigkeit verleiht.

Mit bewundernswerten Mut begegnete Mary Gauthier ihrem eigenen Leben von früh an. Im Alter von 15 Jahren verließ sie ihre Eltern und ging auf Trebe, um sich auf die Suche nach den Menschen zu machen, die wirklich zu ihr passen. Lange Zeit später, nachdem sie sich in der Country-Szene etabliert hatte, scheute sie nicht davor zurück, sich offen als Lesbe zu outen, obwohl ihnen in Americana-Kreisen nicht immer mit Toleranz begegnet wird. Nichtsdestotrotz schrieb sie für ihre Country-Songs Texte über homosexuelle Themen - über die schönen Seite wie Liebesaffären und andauernde Beziehungen, aber auch über den Umgang mit AIDS.

Ein weiterer Fokus ihrer Texte, für die sie viel Anerkennung und Lob von der Musikpresse erhielt, sind AußenseiterInnen aller Klassen. Wie ihre Kolleginnen von den Dixie Chicks schaut sie mit einem kritischen Auge zur Politik des Bush-Regime, wobei sie sich von Anfang an nie zurückhielt, ihre Meinung in und außerhalb der Musik kundzutun, auch wenn zu befürchten war, einige Country-HörerInnen damit vor dem Kopf zu stoßen.
Sie galt bald als eine der ersten Vertreterinnen des "Country Noir", der mit einer unerwarteten Tiefe und eindringlichen Melodien jenseits des Mainstream ganz neue HörerInnenschaften für das Country-Genre gewann.

Ein großes Kompliment ging an sie von der New York Daily News, als diese sie auf eine Ebene mit Johnny Cash, dem legendenumwobenen Urvater der neueren Country-Musik, stellte: "... Gauthier´s songs startle with authority and detail. If she keeps this up, one day she may assume the mantle of Johnny Cash ..."

Ohne Frage lohnt es sich, diese Songwriterin näher kennenzulernen, wenn man bisher noch nichts von ihr gehört hat. Auf "Genesis" wurden 15 Songs von ihren ersten drei Alben zusammengestellt: Ein qualitativ hochwertiges Paket an gefühlsgeladenen, aber nie überladenen Countryweisen, die mit detailreichen Akustik-Gitarren-Melodien, wunderbar rauchigem Gesang, leidenschaftlichen Violinen-Soli und bluesigem Mundharmonika-Spiel für sich einnehmen. Letzte Vorurteile gegen eine Scheinwelt-Romantik in der Country-Musik wird die Ausreisser-Hymne "Drag Queens in Limousines" hinfort wehen.
In "GD HIV" wird das gesellschaftliche Engagement der Songwriterin besonders deutlich. In diesem Song zeichnet sie die Lebensphase eines Homosexuellen nach, in der er beobachten muss, wie um ihn herum seine Freunde an der Immunschwäche sterben.
Mehr klassische Country-Songs, die wolkenlose Sternenhimmel, unendliche Horizonte und abenteuerliche Landschaften am inneren Auge vorbeiziehen lassen, sind "Long Way To Fall" und "Our Lady Of The Shooting Stars".

Die Verbundenheit zur Country-Welt ist eng, mittlerweile lebt die Songwriterin in Nashville/Tennesee. Fünf Alben erschienen bisher: "Dixie Kitchen" (1997), "Drag Queens in Limousines" (1999), "Filth and Fire" (2002), "Mercy Now" (2005) und "Between Daylight and Dark" (2007).

Weiterhören: Neko Case und Cowboy Junkies.

Mary Gauthier im Netz: www.marygauthier.com/site.php und Myspace.

AVIVA-Tipp: Die Melodien strahlen eine wunderbare Gelassenheit aus und vereinen dabei auf unaufdringliche Weise die Gegenpole Zartheit und Stärke. Dadurch wirken die Songs sehr entspannend, bieten aber dennoch viele überraschende Momente und narrative Texte, in denen sich das Leben in all seinen Facetten widerspiegelt.

Mary Gauthier
Genesis (The Early Years)

Label: Proper Records, Rough Trade, VÖ Juni 2008



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Beitrag vom 02.07.2008

AVIVA-Redaktion